27. August 2013

Blindes Verständnis oder trügerischer Frieden? Wenn das Team sich immer einig ist.

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Es ist Estimation. Eine Handvoll Entwickler sitzt zusammen, der PO präsentiert eine Story, erläutert Anforderungen und Akzeptanzkriterien und bittet um Schätzung. Die Entwickler denken kurz nach, kramen in ihren Schätzkarten – und präsentieren. Der erste zückt 5 Punkte. Noch eine 5, eine nächste 5 und noch eine. Der PO nickt, weiter geht’s, die nächste Story. Vorstellen, abstimmen: 8, 8, 8, - alle stimmen in ihren Schätzungen überein. Und so geht es weiter, in trauter Einigkeit werden quasi alle Stories schon in der ersten Schätzrunde einhellig geschätzt und ohne Diskussion durchgewunken. Ist doch normal, schließlich arbeitet man schon eine Weile zusammen!
Paradiesische Zustände? Zeichen für das blinde Verständnis eines eingespielten Teams? Wer sollte mäkeln, wenn alle sich einig sind! Der Product Owner fühlt sich bestätigt, offensichtlich hat er seine Stories gut genug vorbereitet und außerdem kommt er gut voran mit dem Team, und das Backlog ist fast immer vollständig geschätzt. Auch das Team selbst ist froh, nicht mehr Zeit als nötig im Meeting und mit lästigen Diskussionen zu verbringen.
Und dennoch werde ich misstrauisch, wenn ein Team stets übereinstimmt und spontan die gleichen Schätzkarten zückt. Zum Einen, weil ich fürchte, dass zu schnell über die Eigenheiten einer Story hinweg gegangen wird, und dann erst im Planning oder gar im Sprint auftaucht, was hier noch alles zu bedenken wäre.
Aber das würde man ja merken und irgendwann daraus lernen. Deshalb sehe ich noch ein anderes Risiko in der Einigkeit: dass Lösungen zu einfach sind. Wer sich von Beginn an einig ist, muss seine Sichtweisen nicht aushandeln und hinterfragen. Es wird nicht diskutiert. Man denkt weniger nach über die Lösung und vor allem: Man schaut nicht mehr nach rechts und links, um vielleicht andere, neue oder gar bessere Lösungen zu finden! Es ist das Prinzip eines guten Brainstormings, dass in der Diskussion neue Ideen entstehen. Diese Chance vergibt man sich bei stetiger Einigkeit.
Was aber tun? Man wird kaum jemanden bestimmen, der aus Prinzip anders stimmt. Davon wird auch keine Diskussion in Gang kommen. Aber jemand – d.h. in der Regel sollte es der Scrum Master sein – kann ermutigen, auch andere Meinungen zu äußern. Nachfragen: Wieso würdest du das so machen? Wieso nicht anders? Habt ihr noch eine  Idee? Was wäre, wenn das so nicht funktioniert?
Man wird es nicht bei jeder Story tun – schließlich sind die oben genannten Vorteile  nicht zu verachten. Aber die eine oder andere kritische Nachfrage, bei ein oder zwei Stories im Estimation Meeting, durchbricht schon die Einigkeit. Und vielleicht kommt dann von ganz allein auch bei anderen Themen eine Diskussion in Gang. Damit die wirklich besten Lösungen gefunden werden, anstatt immer nur die nahe liegendsten.

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