Vor einiger Zeit haben wir uns damit beschäftigt, mit welchen Tricks wir, bewusst oder unbewusst, unsere Komfortzone schützen: Selektieren, zementieren, kopieren und ausweichen. (Zum Artikel.) Ein Stück weit sind das hilfreiche Strategien, mit denen wir uns das Leben vereinfachen. Wer es sich aber zu sehr einrichtet in seiner Komfortzone, zieht damit auch die Mauer nach außen immer höher. Man verschanzt sich, bis das Ungewohnte da draußen so unbekannt und unberechenbar erscheint, dass man sich gar nicht mehr heraus traut. Und wenn es in der Komfortzone dann längst sterbenslangweilig und ungemütlich geworden ist oder äußere Einflüsse unsere Welt verändern, erscheint uns der Schritt ins „Neuland“ geradezu gefährlich.
Weil wir längst verlernt haben, uns außerhalb unserer Komfortzone zu bewegen.
Wer sich also nicht einigeln will sondern bereit sein möchte zu lernen und zu wachsen, tut gut daran den Schritt ins Unbekannte zu üben, ja, diesen Schritt selbst zur Gewohnheit zu machen.
Dazu hilft es zu verstehen, dass es nicht nur die Komfortzone gibt und überall sonst dichtester Dschungel wuchert. Pädagogen unterscheiden statt dessen drei Zonen: Außerhalb der Komfortzone liegt zunächst die Wachstuns- oder Lernzone, in der das Bekannte Stück für Stück erweitert wird, man in der Lage ist neue Erfahrungen zu machen und zu lernen. Erst wenn man sich zu weit vom Bekannten und Beherrschbaren entfernt, gelangt man in die so genannte Panik-Zone. In dieser blockieren wir und schalten auf Flucht oder Angriff. Nichts wie weg hier, Lernen nicht erwünscht.
Es geht also nicht darum, grundsätzlich alles und alles auf einmal anders zu machen, sondern hier und da einzelne Dinge einmal ganz bewusst zu verändern: Um zu überprüfen, ob die alte Gewohnheit noch gerechtfertigt und weiterhin die beste Lösung ist. Um auf neue Ideen und Sichtweisen zu kommen. Und um Strategien zu entwickeln, wie man mit neuen und vielleicht unbequemen Situationen umgeht.
Denn die Strategien wird man behalten, auch wenn alles andere sich verändert.
Wie so oft ist es der wichtigste Anfang, sich seine Komfortzone bewusst zu machen. „Wie wäre es für dich, das, was du gerade tust, nicht mehr oder ganz anders zu machen?“ Wer auf diese Frage hin nervös wird und sofort Argumente sammelt, wieso er dies genau so tun muss, ist auf einer ziemlich heißen Spur.
Stellt euch diese Frage mehrmals täglich, womöglich mithilfe eines Timers, der euch zu beliebigen Zeitpunkten dazu auffordert. Ihr braucht nichts ändern, wenn ihr nicht wollt. Erkennen, was heilig und was seelenlose Routine ist, ist schon für sich viel wert.
Man kann für sich persönlich beim Kleiderschrank anfangen, aber auch bei den Tools und Programmen auf dem Büro-Rechner oder den Utensilien auf dem Schreibtisch: Brauchen wir das (so) noch oder kann das weg?
Neben dem Effekt, dass man im Idealfall Platz macht für Neues, erreicht man auch hier, dass man sein normales Handeln hinterfragt und sich bewusst macht, welche Lösungen und Werkzeuge wir normaler Weise wählen. Und welche eben nicht. Und wieso eigentlich nicht? Oder sollte ich nicht doch noch mal dieses Tool testen, für das wir damals eine Test-Lizenz bestellt, es aber niemals ausprobiert haben?
Wer einmal dabei ist auszumisten, kann auch Strukturen verändern. Ein, zwei verschobene Tische im Büro oder die Anordnung der Apps auf dem Smartphone bringen uns dazu, erst einmal wieder nachzudenken und wahrzunehmen was da ist, statt stumpf in der Routine zu verharren. Dieses Aufmerken ist eine wichtige Grundlage, um feststellen zu können was wirklich wichtig ist, was fehlt, und was anders sein könnte.
Doch selbst, wenn man sich seiner Komfortzone bewusst ist: Wieso genau sollte ich diese nochmal verlassen? Es ist gut, seine Basis zu haben, auf die man vertrauen kann. Spätestens, wenn man nur noch dieser kleinen eigenen Basis vertraut, und alles andere per se suspekt erscheint, wird es heikel.
Dann ist es Zeit zu überlegen, wieso man denn eigentlich doch etwas ändern möchte, was man sich also erhofft. Eine unkompliziertere Zusammenarbeit, mehr Zeit für die schönen oder interessanten Dinge, oder die Idee von dem großen tollen Projekt / Reise / neuen Job etc. Wer ein Ziel hat, ist leichter bereit von der Couch aufzustehen.
Last but not least ist es eine Sache der Übung, wie souverän wir mit Neuem umgehen. Und Übung kann man üben, in kleinen, wohldosierten Portionen. Wie wäre es mit einer 20-Tage-Herausforderung: 20 Tage lang jeden Tag etwas tun, das man noch nie zuvor gemacht hat. Das kann die abgefahrene Eissorte sein, die einem eigentlich abwegig erscheint. Der Ausflug in einen Stadtbezirk, in dem man noch nie war. Eine entfernte Kollegin um Rat fragen, die man bisher nur vom Sehen kannte. Einem Kollegen ganz allein ein Geburtstagsständchen singen.
Es darf, muss aber keinen besonderen Mut kosten. Worauf es ankommt sind neue Eindrücke und Perspektiven. Vor allem aber die Erfahrung: Ich kann das! Ich kann über meinen Schatten springen und mich im Neuen zurecht finden. Und auch die Erfahrung, dass das Neue sich lohnen kann.
Bei all dem Lob auf das Neue muss klar sein: Das Bekannte und auch Routine hat ihren Wert! Wer zum Beispiel Regel-Meetings permanent zu anderen Zeiten stattfinden lässt, vergeudet Zeit und Energie, weil niemand sich darauf einstellen kann, Teilnehmer zur falschen zeit da sind oder eben auch nicht, usw. Jede Veränderung erzeugt Reibung und Aufwand, und Veränderung nur um der Veränderung willen ist Unsinn.
Entscheidend ist, ein Bewusstsein für die Routine zu entwickeln und diese von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen: Ist das wirklich gut so wie es ist – oder ist es nur so weil wir es nicht mehr anders kennen?
Nur wer sich bewusst aus seiner Komfortzone heraus in seine Lernzone begeben kann, kann Veränderung entspannt zulassen wenn sie nötig oder gewünscht wird. Weil er weiß, dass das Zurechtfinden im Neuen für ihn selbst gar nicht so neu ist.
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