Die agile Philosophie setzt stark auf die Selbstverantwortung der Teams und Teammitglieder. Wer selbst Entscheidungen treffen darf und für deren Ergebnisse, im Guten wie im Schlechten, gerade steht, wird sich stärker für Qualität und gute Resultate engagieren als jemand, der nur Anweisungen umsetzt.
Doch Verantwortung muss immer einhergehen mit Vertrauen: Wer seinem Team, seinen Mitarbeitern oder Kollegen nicht vertraut, wird ihnen keine Verantwortung geben. Und wer keine (echte) Verantwortung erhält, tut sich schwer zu zeigen, dass er das Vertrauen verdient hätte.
So ist es, gerade in den Anfängen agiler Prozesse oder wenn Teams bzw. Manager und Teams zum ersten Mal zusammen arbeiten, eine echte Herausforderung, das gegenseitige Vertrauen aufzubauen. Da mag der Manager die Kontrolle nicht abgeben und funkt immer wieder mit Korrekturen oder misstrauischen Fragen dazwischen. Schließlich müsste er vor dem Top-Management im Zweifel den Kopf hinhalten. Da traut sich das Team nicht, eine radikale, aber viel einfachere Lösung zu bauen, obwohl alle Beteiligten von ihr überzeugt sind. Denn man hat Angst, dass Product Owner oder Stakeholder nicht für neue Lösungen aufgeschossen sind und man am Ende alles neu auf die alte Weise nachbauen müsste. Da wird das agile Prinzip von „Funktionierende Software über umfassende Dokumentation“ ad acta gelegt, weil man glaubt, mit haufenweise Dokumenten den Kollegen oder Chefs nachweisen zu müssen, was man denn getan habe.
Doch was tun dagegen? Wie baut man das nötige Vertrauen auf, um Verantwortung übergeben und übernehmen zu können?
Es gibt viele grundlegende Faktoren, die sich gezielt üben lassen:
Verantwortung, Vertrauen, Verlässlichkeit – ein logisches Dreieck von Begriffen, die sich gegenseitig bedingen. Wer Vertrauen in den großen Dingen aufbauen möchte, tut gut daran, auch in den kleinen Dingen zu beweisen, dass auf ihn oder sie Verlass ist: Pünktlichkeit in Meetings; zugesagte Informationen, Unterstützung oder Termine einhalten; Bescheid sagen, wenn etwas anders kommt als angekündigt. Kleinigkeiten, eigentlich. Aber eben auch die Grundlage des zwischenmenschlichen Einmaleins und damit des Vertrauens.
Überhaupt: „Bescheid sagen“ – wer miteinander kommuniziert, lernt sich kennen, und nur wer sich kennt, kann sich einschätzen und damit seine Erwartungen auf eine stabile Grundlage stellen. Das gilt, in einem angemessenen Maße, durchaus auch für Gespräche über persönliche oder gar private Themen, wenn denn die Sympathie es nahe legt.
Und auch auf der rein fachlichen Ebene hat man großes Potential, wenn man bereit ist, den anderen am eigenen Wissen und den Erfahrungen teilhaben zu lassen. Doch Vorsicht: Wer „von oben herab“ alles besser weiß, wird bestenfalls als Spezialist geachtet, kaum aber als Mensch geschätzt werden!
Gegenseitige Achtung ist eine zentrale Grundlage für Vertrauen. Das Interesse an den Kenntnissen und Erfahrungen des anderen und der Respekt vor dessen Meinungen, Entscheidungen und Bedürfnissen sind daher extrem wichtig.
Interesse und Respekt können sich schon in kleinen, beiläufigen Gesten oder spontanen Reaktionen zeigen – oder eben auch deren Mangel. Ein freundlich gemeinter, scherzhafter Kommentar kann aufmunternd ankommen – aber auch herabwürdigend oder grenzüberschreitend.
Auch wenn Humor im Team extrem wichtig und hilfreich ist: Wer einen Hang zu flapsigen Bemerkungen hat, sollte sich gerade zu Beginn einer neuen Zusammenarbeit ein wenig zurück halten – sonst geht das im schlechtesten Fall nicht nur in den falschen Hals, sondern führt direkt zu einem Mangel an Vertrauen und Verantwortungsbereitschaft.
Zu echtem Vertrauen gehört auch, sich so zeigen zu können wie man ist – inklusive seiner Macken, seiner Emotionen und der Fehler, die jedem von uns unterlaufen. Wer sich also offen zeigt, zugibt, was in ihm vorgeht oder was ihm oder ihr passiert ist, der geht mit seinem Vertrauen in Vorleistung – und provoziert, dass das Gleiche zurück kommt.
Wer je den Anfang gemacht hat, in einem Gespräch in kleiner Runde ehrlich von Fehlern zu erzählen und die eigenen Gefühl und verletzten Eitelkeiten nicht auszuklammern, der wird oft genug erlebt haben, welch andere, erstaunlich offenen Gespräche sich daraus entwickeln. Das sind dann die Momente, in denen man dem Vertrauen beim Wachsen zuschauen kann.
Doch nicht nur die persönliche, manchmal emotionale Ebene spielen eine Rolle für den Aufbau von Vertrauen, sondern vor allem auch die Offenheit über die Ziele und Absichten, die jeder im aktuellen, gemeinsamen Projekt verfolgt.
Legt die Kollegin Wert auf bestimmte Themen oder Ergebnisse, weil sie sie für erfolgsrelevant hält – oder weil damit womöglich im letzten Zielgespräch ein fetter Bonus verknüpft wurde? Ist der Kollege so kritisch, weil ihm die Argumentation nicht einleuchtet – oder hat er in einem früheren Projekt mit einer ganz ähnlichen Strategie äußerst schlechte Erfahrungen gemacht?
Solche und ähnliche Hintergründe sind wichtig, denn sie ermöglichen, jeden bei seinen individuellen Interessen abzuholen. Vor allem schafft diese Offenheit das Vertrauen, dass niemand geheime Fäden zieht oder hinter dem Rücken der anderen seine ganz eigene Strategie verfolgt.
Bei allen diesen Mitteln, die das Vertrauen unterstützen: Vor allem anderen muss man es einfach zulassen. Bereit sein, dem anderen eine Chance zu geben und ihn machen lassen. Vielleicht auch: Sich überraschen zu lassen. Denn wer einmal erlebt hat, dass das Gegenüber mit einer völlig unerwarteten, genialen Lösung um die Ecke kam, der weiß: Vertrauen und Verantwortung kosten zwar vielleicht Überwindung, aber sie machen sich in der Regel auch doppelt und dreifach bezahlt!
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