Wohl keine der klassischen Scrum-Praktiken und Meetings ist so umstritten wie das Estimation. Pro und Contra, Nutzen und Kosten, berechtigte Erwartungen und vor allem auch viele Missverständnisse gehen damit einher. In einer zweiteiligen Serie geben wir einen Überblick.
Ein bis zwei mal im Sprint stellt der Product Owner seinem Team neue oder neu zugeschnittene User Stories vor und bittet um eine Einschätzung des Komplexität.
Das Team, so die Idee, lernt dadurch die mittelfristig anstehenden Aufgaben kennen und kann frühzeitig Feedback geben über eventuelle Schwierigkeiten oder Möglichkeiten.
Der Product Owner erhält neben diesen Hinweisen eine Einschätzung der Komplexität. Diese hilft ihm, unter Abwägung des potentiellen Aufwands gegenüber dem Nutzen, über die Priorität der Story zu entscheiden und außerdem im Abgleich mit der bisherigen Velocity des Teams eine Release- oder Epic-Planung vorzunehmen.
Meist werden die Größen der Stories mittels Storypoints angegeben, wobei dies explizit abstrakte Größen sind und der Abstand zwischen den Zahlenwerte immer weiter auseinander liegen, je höher sie sind. Der Abstand repräsentiert hier unter anderem die enthaltene Unsicherheit. Denn: Je größer eine Sache ist, desto ungefährer und unsicherer ist die Schätzung.
Es gibt eine Vielzahl von typischen, aber nicht idealen Handlungs- und Sichtweisen auf das Estimation, die letztlich alle auf dem gleichen Missverständnis beruhen. Dieses Missverständnis ist ebenso groß wie verführerisch: „Wir schätzen den Aufwand – oder?“
Nein. Geschätzt, so die allgemeine Empfehlung von Scrum Experten, wird die Komplexität einer Aufgabe, also die Menge an Denkarbeit, Unwägbarkeiten und Unsicherheit, die in einer Aufgabe stecken. Aber nicht (primär) die reine Menge der Arbeit oder der Zeit, die voraussichtlich in die Erledigung der Aufgabe eingeht.
Fast jedes Team diskutiert früher oder später darüber ob das gut und fair sei, wenn die stupide, aber umfangreiche Fleißaufgabe eine sehr kleine Schätzung erhalten soll, während der trickreiche Spezialauftrag, für den man höchste Konzentration aber im Idealfall nur 15 Minuten Zeit benötigt, eine furchtbar große Schätzung erhält. Doch diese Sichtweise hat diverse Vorteile und nur so sind Estimations wirklich sinnvoll.
Das Schätzen und Messen in Zeiteinheiten ist vertrauter und damit einfacher, keine Frage. Doch es hat, wie man sieht, zahlreiche direkte und indirekte unliebsame Nebenwirkungen, die in vielen Teams dazu führen, dass die Estimations als lästige Zeitverschwendung angesehen werden.
Im zweiten Teil dieses Artikels setzen wir uns daher mit diesen Vorwürfen auseinander.
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