19. Mai 2020

Die Führung in die Familienplanung einweihen: Mein sehr persönliches Experiment bei Leanovate

Kristin Ruckschnat

Du willst ein Kind? Sag’s lieber nicht zu laut auf Arbeit. Warte die 12. Woche ab, bevor du die Schwangerschaft verkündest. Über Familienplanung und Arbeit zu entscheiden, ist oft privat schon schwer genug; darüber auf der Arbeit zu schweigen, hat gute Gründe. Ich fand es trotzdem schade und habe entschieden, meine Familienplanung schon vor der Schwangerschaft mit meinen Führungskräften zu besprechen.

 

Liebe Leserinnen und Leser, was nun folgt, ist ein sehr persönlicher Text. Wir machen bei Leanovate gerne Experimente, um gezielt Erkenntnisse zu generieren und zu lernen. Als mein Mann und ich uns entschieden, dass wir bald ein zweites Kind bekommen möchten, habe ich den Führungskräften in unserer Firma ein Experiment vorgeschlagen, dass viele Frauen vermutlich als ‚Wahnsinn´ bewertet hätten: Ich mache unsere Familienplanung transparent.

 

Die Hintergründe meines Experiments

Um den Hintergrund zu verstehen, muss man ein paar Kleinigkeiten über meine erste Schwangerschaft wissen. Der erste Punkt ist, dass ich in meiner ersten Schwangerschaft nur Positives bei Leanovate erlebt habe. Als ich ungefähr die Hälfte der Schwangerschaft hinter mir hatte, kam dann ein Erlebnis, mit dem ich am Wenigsten gerechnet hätte. Ich war gerade ein Jahr bei Leanovate und hatte ein Gespräch mit meiner Führungskraft. In diesem Gespräch kam zur Sprache, dass ich nach dem vergangenen Jahr eine neue Karrierestufe erreicht hatte und ich bekam eine gute Gehaltserhöhung – ungefragt. Ich war ziemlich baff. Die Schwangerschaft war kein Karriereblocker, sondern war einfach kein Thema. Einzig meine Arbeit zählte. Das stärkte mein Vertrauen in das Unternehmen ungemein.

Der zweite Punkt ist, dass ich in der ersten Schwangerschaft ziemlich starke Probleme mit Übelkeit in den ersten Wochen hatte. Ich war zwar „nur“ zwei Wochen krankgeschrieben, aber ohne Medikament ging es für eine ganze Weile nicht. Diesen Punkt sah ich nun als Risiko. Was, wenn es in der zweiten Schwangerschaft wieder so sein würde? Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt für einen Kunden außerhalb Berlins, zu dem ich an vier Tagen in der Woche mit dem Auto fuhr. Die Medikamente gegen die Übelkeit machten mich müde, Auto fahren würde vielleicht über Wochen nicht möglich sein. Ein Risiko für das Projekt, würde ich kurzfristig ausfallen. Ich hoffte inständig, dass ich dieses Mal von der Übelkeit verschont bleiben würde.

Außerdem muss man sagen, dass ich nicht gerne Geheimnisse habe. Ich bin authentisch und möchte mir auch keine Ausreden einfallen lassen. Selbst wenn es mit der Schwangerschaft nicht geklappt oder ich früh das Kind verloren hätte – mein Vertrauen in meine Führung war so groß, dass ich es als hilfreich einschätzte, auch so eine Situation zu teilen. Denn mir anmerken würden sie es mir dann sowieso. Ich versprach mir vom Experiment also eine große psychische Entlastung für mich.

 

 

Die Bedingungen für mein Experiment

Natürlich sind all diese Themen trotzdem sensibel. Daher überlegte ich mir auch klare Bedingungen:

  • Keine Einmischung in private Entscheidungen.
  • Ich entscheide, wer wann welche Informationen bekommt.
  • Das Experiment ist erst einmal geheim, d.h. nur meine Führungskräfte und ich sind informiert.

Nachdem ich meine Idee unserer Führung vorstellte, bekam ich Nachfragen, aber auch positives Feedback. Das bedeutete, dass ich ziemlich schnell meinen Zeitplan offenlegte, denn ein bis zwei Monate nach der Vorstellung des Experimentes wollten mein Mann und ich den ersten Versuch wagen. Und ich klärte auch ziemlich schnell mit meiner Führung die Frage, was passieren würde, wenn ich im Projekt ausfallen würde. Wir kamen überein, dass es bezogen auf Krankheit immer ein Risiko gäbe und dass wir versuchen würden, innerhalb von Leanovate Vertretung für mich zu finden. Es nahm mir unheimlich viel Druck, diese Themen mit jemanden durchsprechen zu können. Ich wollte nicht nur das Beste für mich. Ich wollte auch das Beste für Leanovate und den Kunden. Und das war ziemlich viel Verantwortung auf einmal.

 

Ich bin schwanger! Und nun?

Zwei Monate später teilte ich meiner Führungskraft und meinem Service Lead mit, dass ich schwanger bin. Es war ein wenig komisch, es teilweise Leuten im Unternehmen früher zu sagen, als vielen Freunden und Verwandten.

In derselben Woche, in der meine Schwangerschaft beim Arzt mittels Bluttest festgestellt wurde, erzählte ich es außerdem meinem Team Lead beim Kunden. Das war so nicht geplant. Aber ich fand es sinnvoll, dass ich ihn (Mann, Familienvater 😉 ) über ein mögliches Ausfallrisiko informiere und hatte ihn in den vergangenen zehn Monaten unserer Zusammenarbeit ebenfalls als sehr faire Führungskraft kennengelernt.

Zwei Wochen später, in der siebten Schwangerschaftswoche, zerlegte mich die Übelkeit komplett. Ich konnte nicht mal mehr aufstehen. Es war viel schlimmer, als in der ersten Schwangerschaft. Obwohl ich vorgesorgt, den Stress reduziert (soweit das mit Kleinkind möglich ist), gesund gegessen hatte, andere Medikamente probierte, meine Hebamme zur Akkupunktur kam.

Nach sechs Wochen (drei Wochen Krankschreibung, drei Wochen Weihnachtsurlaub) ging ich wieder arbeiten. Die erste Woche beim Kunden war wirklich nicht schön, weil die Übelkeit mich immer noch phasenweise lahmlegte. Danach wurde es wieder erträglich. Mittlerweile geht es mir wieder prima. Ich stehe kurz davor, meinen Resturlaub zu nehmen und dann in den Mutterschutz zu gehen und vermisse meine Arbeit beim Kunden und bei Leanovate jetzt schon.

 

Die Auswertung meines Experiments

Mittlerweile habe ich das Experiment mit meiner Führungskraft ausgewertet und es bei Leanovate vorgestellt. Das Fazit sieht eigentlich ganz gut aus:

  • Mir hat das Experiment tatsächlich viel Druck genommen. Und mir damit auch Freiraum beim Arbeiten geschaffen, weil ich nicht so viel über das „Was wäre wenn“ nachgedacht habe.
  • Für meine Führung war es gut, weil Risikobewusstsein geschaffen werden konnte und wir auch gut planen konnten, wann und wie ich das Projekt verlassen werde.
  • Letztendlich konnte sich auch mein Team Lead beim Kunden ein wenig darauf einstellen.
  • Was nicht so gut geklappt hat, war, eine Vertretung für mich zu finden. Da die Übelkeit in einer sensiblen Phase der Schwangerschaft begann, wollte ich nicht zu früh zu viele Leute einweihen – ich hatte ja immer noch die Hoffnung, dass die Übelkeit dieses Mal ausbleiben würde und eine einzelne Person hätte aus organisatorischen Gründen für die Vertretung nicht ausgereicht. Das führte aber wiederum dazu, dass die Leute ihre Zeit schon verplanten, ich keine richtigen Übergaben machen konnte und generell nicht klar war, bei welchen Tätigkeiten (außer der Moderation von Meetings) eine Vertretung überhaupt sinnvoll ist. Diesen Punkt hatte ich im Vorfeld unterschätzt. Das Positive daran ist aber wiederum, dass wir nun in der Firma darüber nachdenken können, wie wir mit solchen Herausforderungen in Zukunft umgehen wollen. Also im Grunde haben wir alle viel gelernt dabei.
  • Ein weiteres Kind ist derzeit nicht geplant. Aber wenn ich wieder eine Schwangerschaft planen würde, würde ich es definitiv noch mal ähnlich machen.

 

Warum erzähle ich euch das?

Aber warum teile ich ein so persönliches Thema an dieser Stelle? Es geht mir nicht darum, Frauen zu ermutigen, es mir gleich zu tun. Jede Organisation funktioniert anders und frau braucht ein geeignetes Umfeld, um das durchzuziehen. Man liest ja immer noch von vielen Diskriminierungen rund um das Thema Schwangerschaft und Muttersein.

Ich möchte vielmehr den Unternehmen eine andere Perspektive aufzeigen. Denn wenn ich mir jetzt meinen eigenen Blogbeitrag durchlese, bin ich selbst erstaunt, worum es hier wirklich geht: um Vertrauen. Dieses Vertrauen hat Vorteile für unser Unternehmen möglich gemacht, die normalerweise in diesem Kontext fremd sind:

  • unternehmerische Risikoabschätzung,
  • einen größeren Planungshorizont,
  • Bindung von MitarbeiterInnen
  • sowie Motivation von MitarbeiterInnen.

Bei Leanovate haben wir experimentell einen Weg gefunden, die Bedürfnisse des Unternehmens und meine unter einen Hut zu bekommen. Darauf bin ich irgendwie stolz, weil ich das auch heutzutage leider nicht als Selbstverständlichkeit betrachte.

Ich bin jetzt in der 32. Schwangerschaftswoche und es ist nicht mehr lang bis zum Mutterschutz. Über beide Schwangerschaften kann ich sagen: Ich habe gerne und motiviert bis zum letztem Tag gearbeitet. Und ich freue mich schon wieder auf den Tag, an dem ich ins Büro zurückkehre, um mich im Unternehmen einzusetzen.

Kristin Ruckschnat
Agile | Communication | People

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