4. September 2015

Im Zählwahn. Wenn man aus dem Zählen nicht mehr raus kommt.

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Messen und Zählen. Beliebter Sport in der Agilen Welt. Das Zählen der durchschnittlichen Storypoints für die Velocity ist eine der wichtigsten Standardgrößen, der Happiness-Index verzeichnet die Stimmung im Team und das Zählen von Klebezetteln der unterschiedlichsten Farben, Formen und Kategorien scheint die Lieblingsbeschäftigung vieler Scrum Master zu sein.
Dabei drängt sich mir manchmal der Eindruck auf, dass das Zählen zum Selbstzweck wird. Messen um des Messen willens. Wer Zahlen hat, hat immerhin etwas vorzuweisen.
Ja, und? Was soll das dann, wenn ich in feinsäuberlichen Excel-Tabellen protokolliert habe, dass im Verlauf der letzten vier Monate der Wochendurchschnitt der pinken Klebezettel um 2,3 gestiegen und die Zahl der grünen Zettel von Sprint zu Sprint um bis zu 12 Zettel schwankt? Oder ich mit einer soliden, umfassenden Zahlenbasis, in die ich viel Zeit und Mühe investiert habe, nun tatsächlich belegen kann, dass im Sommer während der Urlaubssaison die Velocity sinkt. Aha.
Und bevor man es sich versieht, wird der Scrum Master zum Count Master, dessen wichtigste Qualifikation der Statistik-Kurs aus seinem Soziologie-Semester ist.

Count Master oder #Scrum Master? Ein Blogpost von @karbeck über sinnvolles #Messen!

Dabei stimmt ja durchaus: Nur wer Zahlen erhebt, kann systematisch besser werden. Nur wer Messgrößen für die Veränderung hat, kann deren Erfolg oder Misserfolg wirklich beurteilen, anstatt nur aus dem Bauch heraus sagen zu können: „Joa, ich glaub das is ganz gut so.“
Damit das Zählen sinnvoll ist und sich lohnt, sollten also ein paar Dinge beachtet werden.

Erstens: Zweck und Erwartungen definieren. Und zwar zuerst.

Sicher kann ich meine Kollegen dazu auffordern, täglich oder wöchentlich einzutragen, wie zufrieden und entspannt sie gerade sind. Aber wozu? Nur damit ich mir auf die Schulter klopfen kann, wenn alle „happy“ sind? Und es kann sehr spannend sein zu messen, welchen Anteil ihrer Arbeitszeit die ein oder andere Person in Meetings verbringt. Aber nur um dann zu stöhnen, wie wenig man „zum arbeiten“ kommt, weil man an der Menge der Meetings eh nichts ändern kann? Vertane Zeit.
Deshalb gilt auch hier: Mit dem Problem beginnen, und nicht mit der Lösung. Also zuerst fragen: Was will ich verändern (oder sicherstellen dass es nicht schlechter wird)? Oder auch: Was fürchte ich am meisten und will es auf jeden Fall rechtzeitig erkennen? Und danach dann erst: Womit kann ich das am besten messen? Und zwar mit dem geringsten Zusatz-Aufwand?

Zweitens: Kritische Werte oder Zielwerte definieren.

Da steht man vor dem Flipchart mit den fallenden Kurven oder ansteigenden Balken und hat vielleicht ein irgendwie gutes oder irgendwie schlechtes Gefühl dabei. Aber was dann? Wann ist der Punkt zu handeln?
Klare Regeln helfen: Grenzwerte, mindestens – höchstens. Oder auch logische Regeln: Wenn dieser Wert um mehr als X Punkte abfällt und sich nicht innerhalb von drei Messungen wieder erholt, dann muss reagiert werden. Und so weiter. Denn nur dann wissen alle, wann man sich Gedanken machen muss. Und wann es eben eigentlich egal ist, über eine minimal schwankende Kurve nachzugrübeln.

Drittens: Messwerte beschränken.

Drei aussagekräftige Kennzahlen sind hilfreicher als acht, aus denen man eigentlich keinen Mehrwert schöpft. Also gilt: Nicht alles zählen, was geht! Sondern nur eine begrenzte Anzahl von Messwerten und Statistiken.
Setzt zudem ein festes Limit auf die Anzahl der Messungen: Wenn ihr das Bedürfnis habt, eine neue Statistik einzuführen, sollte dafür eine andere wegfallen. Sonst schleicht sich der Zählwahn nur doch wieder ein.

 

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