Neulich auf einer Konferenz: Wir hatten einen Vortrag gehalten, eine Einführung in agile Philosophie und Methoden für Leute, die damit bisher eher wenig zu tun hatten. In der anschließenden Diskussion dann die typische, aber entscheidende Frage: „Und was mache ICH jetzt damit?“
Nur selten sind es die Top-Entscheider eines Unternehmens, die sich zuerst davon überzeugen lassen, dass agile Methoden gut und sinnvoll sind – und wenn, kann man darüber diskutieren, ob das der beste Ort ist, um eine erfolgreiche agile Transition anzustoßen. Als „normaler“ Mitarbeiter ohne Personalverantwortung und ohne Einfluss auf die internen Prozesse scheint es dagegen fast aussichtslos, irgendetwas zu ändern. Was also kann man tun, um die Idee der agilen Methoden nicht sterben zu lassen, bevor sie begonnen hat? Wir haben ein paar Strategien und Empfehlungen zusammengestellt:
1. Suche den Austausch mit agilen Praktikern.
Sicher ist es, vor allem zu Beginn, sinnvoll schlaue Bücher zu lesen oder Vorträge anzuhören. Neben diesem theoretischen Lehrbuch-Wissen bringt einen jedoch der Blick in die Praxis meist weiter. Erst Recht, wenn man dabei auch Tipps oder Ideen für die eigene Situation erhalten kann.
In den meisten größeren Städten gibt es Stammtische oder Gruppen zu agilen Themen – so wie unsere Leanovate Events - auf denen man unkompliziert Kontakte knüpfen, Erfahrungen austauschen oder auch einfach zuhören kann. Darüber hinaus gibt es natürlich diverse Online-Foren oder Gruppen in sozialen Netzen. Wie aktiv und vielseitig hier der Austausch ist, ist unterschiedlich.
2. Organisiere dich selbst nach agilen Prinzipien.
„Eat your own dog food“ empfiehlt das Sprichwort, das auch wir gerne zitieren. Was nichts anderes heißt als: Lebe selbst nach den Prinzipien, die du propagieren willst. Nur dann kannst Du wirklich wissen, wovon du redest und mit positivem Beispiel voran zu gehen.
Im Falle agiler Methoden kann das die Entwicklung eines „Personal Kanban“-System bedeuten. In der Regel beginnt es aber zunächst damit, dass man seine Aufgaben in kleine, überschaubare Teile splittet und diese strikt und regelmäßig neu priorisiert. Gleichzeitig ist das gerne zitierte „WIP-Limit“, also die Begrenzung der angefangenen, aber noch unerledigten Arbeit, ein wichtiger Hebel in der persönlichen Organisation. Oder wer kennt es nicht, dass er am Ende des Arbeitstages den Rechner runterfahren will und erst einmal eine angefangene E-Mail, zwei halb gelesene Artikeln und ein zu zwei Dritteln fertiges Dokument schließen muss? Aufgaben abzuschließen, bevor man neue beginnt, ist nicht nur befriedigender, sondern auch effizienter – was auch die Kollegen merken werden.
3. Suche Kollegen, die ebenfalls neugierig sind oder bereits Erfahrungen haben.
Sobald man beginnt, auf ein Thema zu achten und darüber zu sprechen, entdeckt man automatisch Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte mit
anderen Personen oder trifft auf offene Ohren. Suche und vertiefe den Kontakt zu Kollegen, die neugierig sind, die Interesse haben an neuen Themen und Methoden, so dass ihr euch austauschen und unterstützen könnt.
4. Verbinde dich mit denen, die den größten Bedarf an Veränderung haben.
Die Bereitschaft zur Veränderung beginnt mit der Aussicht, dass das Leben besser wird. Je größer das Bewusstsein über Nachteile, Aufwände oder Verluste ist, je stärker man in der aktuellen Situation „Schmerzen“ hat, umso größer ist die Bereitschaft sich auf Neues einzulassen.
Wer eine Veränderung anstoßen will, sollte daher bei genau diesen schmerzhaften Stellen beginnen. In jedem System gibt es Schwachpunkte (und, unserer Erfahrung nach, erst recht in Wasserfall-Systemen). Seien es Personen, die von der Kommunikation abgeschnitten sind. Abteilungen, die regelmäßig Überstunden machen müssen, weil am Ende des Plans keine Zeit mehr übrig ist. Teams, die regelmäßig große Teile ihrer Arbeit wegschmeißen können, weil die vermeintlichen Anforderungen nicht dem entsprachen, was tatsächlich gebraucht wurde. Und so weiter und so fort. Mögliche Ansatzpunkte zur Verbesserung sind vielfältig. Und genau diese, unmittelbar betroffenen Personen werden offen sein, wenn man mit neuen Ideen ankommt. Erst recht, wenn diese neuen Ideen wie bei der agilen Philosophie genau mit den typischen Schmerzverursachern „fehlende Kommunikation und Intransparenz“, „Unplanbarkeit“ und „sich wandelnde Anforderungen“ zu tun haben.
5. Suche die Kommunikation. Am besten regelmäßig.
Überhaupt, die Kommunikation. Menschen von neuen Ideen zu erzählen ist natürlich ein Teil des Ganzen. Mindestens genauso wichtig ist es aber, auch die Situationen, Wünsche und Anliegen der Kollegen selbst zu verstehen. Und ihnen gleichzeitig vorzuleben, dass es gar nicht so schwer oder unangenehm ist, Probleme transparent zu machen und offen und ehrlich miteinander zu sein.
Gleichzeitig soll dies kein Aufruf sein, künftig seine Zeit nur noch in der Kaffeeküche zu verbringen, um möglichst viel mit allen zu quatschen! Effektive Kommunikation ist so kurz wie nötig. Vor allem ist sie aber regelmäßig.
Warum nicht mit einzelnen Kollegen aus anderen Abteilungen, mit denen man häufig zu tun hat oder gemeinsame Projekte verfolgt, ein wöchentliches Statusmeeting vereinbaren? 15 Minuten, jeder erzählt, ob es etwas Neues gibt oder er gerade Probleme hat. Der regelmäßige Status-Austausch, der auch im „Alltag“ stattfindet und nicht nur bei akutem Redebedarf, verbessert das gegenseitige Verständnis und damit die gesamte Zusammenarbeit.
6. Fange klein an, werde stetig besser und messe deine Erfolge.
Auch die Einführung von agilen Methoden ist ein Projekt, das man wiederum mit der agilen Philosophie umsetzen sollte. Und das bedeutet: Nicht alles auf einmal!
Gerade, wenn man „von unten“ beginnt, sollte und kann man vermutlich nicht direkt von der großen ‚agilen Transition’ reden und mit den Scrum Guide wedeln, sondern man muss mit einzelnen Methoden und Praktiken aus der agilen Welt beginnen. Tägliche Standups zum Beispiel, gelegentliche Retrospektiven, oder das frühe Einbeziehen von Kundenfeedback – sei es von Nutzern und Kollegen. Manches wird schnell auf Anklang stoßen, manches braucht Zeit, bei anderen Ideen wird man gegen Mauern laufen. Aber auch aus diesen Erfahrungen kann man lernen, kann Bedenken, Hindernisse und Bedürfnisse erfahren und wie man diesen begegnen kann.
Um die eigene Strategie zu überprüfen und wirklich mitzubekommen, ob man auf einem erfolgreichen Weg ist, ist es hilfreich, seine Erfolge zu messen. Smarte Kennzahlen, wie z.B. die Anzahl von interessierten Rückfragen, Teilnehmer an Meetings oder auch ein Happiness-Index, für einen ganz persönliche oder mit involvierten Kollegen, helfen, das eigene Handeln zu stützen. Und: Diese Zahlen liefern klare Argumente und Fakten, wenn man irgendwann dann doch einmal mit dem Management über die große agile Transition spricht.
Das sind natürlich nur ein paar Ideen – es gibt noch viele weitere. Egal, welche man wählt, das Wichtigste ist: Einfach mal anfangen. Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
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