Es ist 2019, vor mittlerweile 3 Jahren. Ich steige aus dem Flugzeug. Zurück von meiner ersten Reise alleine quer durch Thailand. Ich bin ein bisschen enttäuscht, nicht zu mir selbst gefunden zu haben. Ein Jahr später wird eine Pandemie ausbrechen, ich werde umgezogen sein, mein Beruf wird eine völlig neue Wendung genommen haben. 180 Grad um mich selbst. Doch macht es mir keine Angst. Und das ist neu.
Es ist, als sei es gestern gewesen. Ich öffne einen alten Blogbeitrag von mir. Ich schrieb ihn, kurz nachdem ich bei leanovate angefangen hatte. „Was Agilität mit mir macht“ lautet der Titel. Scheinbar eine ganze Menge, denke ich grinsend. Heute auf den Tag genau vor 5 Jahren war das. Ich hatte damals das Bild eines Tiers im Zoo vor Augen, welches sich trotz offenen Geheges noch nicht so ganz in die Freiheit hinaus traut – aber auch nicht mehr zurück kann. Und heute? Liebe ich die Prärie und bin ich immer noch die Selbe. Doch ganz anders als vor 5 Jahren. Und mehr ich, als je zuvor.
Heute scharre ich mit den Hufen - ähh.. Füßen, sobald Agilität falsch verstanden wird, blühe in Diskussionen um Neues Arbeiten auf und vertrete meine Werte - zur Not auch gegen den Chef (sorry, Markus). Ob sich was verändert hat? Ich glaube schon. Ist Agilität der Grund? Vielleicht nicht allein, aber es ist der Nährboden für eine Arbeit, die keine Maske erfordert, die fördert, was in mir steckt - und nicht bremst, was vielleicht raus muss. Sondern die ermöglicht, zu wachsen und sich zu entwickeln (danke, Markus).
Als ich herausfand, dass ich Empathin und möglicherweise hochsensitiv bin, habe ich das lange Zeit gar nicht mit meiner Arbeit in Verbindung gebracht. Privat hatte ich mir vorgenommen, auf Selbstfindungstrip zu gehen. Inzwischen weiß ich: Ich merke schnell, was mir Energie raubt und was mir Energie schenkt (obwohl es vielleicht objektiv gesehen anstrengender sein mag). Und ganz in Frithjof Bergmanns Sinne glaube ich fest daran, dass auch Arbeit etwas sein kann, das stärkt. Herauszufinden, was man will und was einen stärkt, führt uns zu der „Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen“. Gleichzeitig finden wir heraus, wer wir als Mensch sind. Und das wiederum führt uns zu ganz neuen beruflichen Möglichkeiten. Spoiler: Im Herbst werde ich eine Ausbildung zum Organisationscouncelor machen – ein Modell, welches die Stärken von hochsensitiven Personen für Unternehmen als wertvoll erachtet und nutzbar macht.
Genau aus diesem Grund glaube ich nicht an eine Trennung von Beruf und meinem restlichen Leben. Denn ich bin auf der Arbeit kein anderer Mensch und muss es in einem agilen Umfeld auch nicht sein! Denn ich entwickle mich als Person – das hat Gründe wie Auswirkungen im beruflichen und im privaten Kontext. Das eine führt zum anderen und unterscheidet nicht, wo es stattfindet.
Ich möchte nicht, wie es Frederic Laloux in Reinventing Organizations im Kontext verschiedener Organisationsformen so gut beschreibt, im Arbeitskontext eine Maske tragen. Leben ist nicht das, was nach der Arbeit stattfindet. Sondern „Wholeness“ ist der Schlüssel: Menschlichkeit in Organisationen zuzulassen, fördert die Kreativität und setzt Energie frei – statt sie zu verschlingen und mich nach Feierabend müde und ausgelaugt zurück zu lassen.
Das Leben agiler Werte und ein Umgang auf Augenhöhe haben mich dazu gebracht, zu mir selbst finden und stehen zu können. Auf dem Weg dahin habe ich viel gelacht und auch geweint (warum das nicht peinlich ist, lest ihr in meinem Artikel für’s Magazin). Es hat mich eine Beziehung gekostet und mir neue Horizonte geschenkt (ja, das geht auch in Zeiten von Lockdowns). Das Erforschen dürfen und Verlassen meiner eigenen Komfortzone brachte mich dazu, meinen eigenen Blog danach zu benennen und eine Rucksacktour zu starten. Und die Veränderungen gehen weiter!
Ich war immer schüchtern, vor Menschen zu sprechen machte mir schon in der Schule Angst. Heute moderiere ich mit Liebe Retros und gebe Schulungen. Hätte mir das jemand vor 5 Jahren gesagt, wäre ich schreiend davon gerannt (naja, um ehrlich zu sein hätte ich wahrscheinlich nur schweigend Schweißausbrüche bekommen). Doch wenn es das Arbeitsumfeld ermöglicht, ganz ich sein zu können, dann kommt da vielleicht ein ganz anderes Ich zu Tage, als ich von mir selbst gekannt habe.
Ich bin keine Kanban-Spezialistin geworden. Doch wo ich früher nur schulterzuckend und etwas resigniert Kolleg:innen gefragt habe, warum sie sich denn nicht mal an einen Tisch setzen und reden würden, habe ich nun das Gefühl, einen Werkzeugkasten in der Hand zu haben, um an diesem Punkt Menschen dazu zu befähigen, besser zusammen zu arbeiten. Werkzeuge und – entschuldigt das Buzzword – ein Mindset.
Und das mache ich inzwischen zu meinem Job: während in meinem ersten Kundenprojekt noch Marketing eine thematische Rolle spielte und ich eher „aus Versehen“ (oder weil ich nicht mehr anders kann? 😇) in die beratende Rolle einer Organisationsentwicklerin geschlüpft bin, werde ich inzwischen für diese Rolle geschätzt. Ja, sie ist noch neu – aber auch sie macht keine Angst. Weil ich sein kann, wie ich bin – im Job wie im Privaten. Veränderungen? Sind willkommen!
„Wähle einen Beruf, den du liebst und du brauchst keinen Tag im Leben arbeiten.“
(Konfuzius)
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